Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit Helmholtz-Zentrum Potsdam

Das Soft-Power-Konzept der deutschen Energieaußenpolitik

15.10.2020

Mit internationalen Energiepartnerschaften will Deutschland als global vernetzter Staat die Energiewende anschieben. Eine Studie vom Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS) hat diese bilateralen Energiepartnerschaften analysiert. Ausgehend vom Ruf, eine Vorreiterin der Energiewende zu sein, verfolgt die Bundesrepublik eine Soft-Power-Strategie, um im Ausland Nachahmer des eigenen energiepolitischen Ansatzes zu gewinnen. Die bilateralen Energiepartnerschaften Deutschlands, so die Analyse, seien dabei das zentrale Politikinstrument.

Windenergie und Sonnenenergie ergibt grüne Energie
Wie Energie produziert und verbraucht wird, muss sich ändern und Regierungen können mit den richtigen Investitionen neue Energietechnologien fördern.

Die internationalen Verpflichtungen zum Klimaschutz erfordern eine rasche Reduzierung der energiebedingten Treibhausgasemissionen. Wie Energie produziert und verbraucht wird, muss sich ändern und Regierungen können mit Investitionen neue Energietechnologien fördern. Aufgrund der staatlichen Unterstützung für erneuerbare Energien sind in den vergangenen zwei Jahrzehnten die Kosten dafür stark gesunken, so dass Strom aus Wind und Sonne gegenüber Energie aus Kohle und Atom wettbewerbsfähig wurde.

Diese veränderten Rahmenbedingungen haben auch zu einem Wandel in der Energieaußenpolitik geführt. Neben traditionellen Ansätzen zur Sicherung von fossilen Energieressourcen, spielen Ansätze zur Verbreitung klimafreundlicher Technologien und Lösungen eine zunehmende Rolle. Als internationaler Vorreiter der erneuerbaren Energien und wichtiges Industrieland hat sich Deutschland in diesem neuen Feld der Energieaußenpolitik als zentrale Akteurin herausgebildet. In einem kürzlich erschienenen Artikel im Review for International Political Economy  diskutieren Rainer Quitzow und Sonja Thielges die internationale Energiewendepolitik der deutschen Bundesregierung. Sie beschreiben das Gemeinschaftswerk Energiewende als zentrale Grundlage oder „soft power“ Ressource dieser Strategie und zeigen, wie sich der zunehmende innenpolitische Konsens zur Energiewende in der Energieaußenpolitik widerspiegelt.

Die Entstehung des deutschen Narratives zur Energiewende

Die Energiewende entwickelte sich in Deutschland über einen Zeitraum von mehr als 30 Jahren. Beginnend mit der Ölkrise in den 70er-Jahren und fortgesetzt mit der Anti-Atomkraft-Bewegung hatte sich bis 2010 ein parteiübergreifender Konsens zugunsten der erneuerbaren Energien herausgebildet. Nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima wurde der Atomausstieg endgültig beschlossen und die Regierung übernahm den Begriff Energiewende als Leitbild der deutschen Energiepolitik.

Die Innenpolitik wird global

„Diese innenpolitische Entwicklung spiegelt sich ebenso in der internationalen politischen Agenda und Erzählung“, sagt Rainer Quitzow, Studienautor und Sprecher des Forschungsbereiches Energiesysteme und gesellschaftlicher Wandel. 2002 habe Deutschland den Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg als Plattform genutzt, um sich energisch für die Förderung erneuerbarer Energien einzusetzen. Im selben Jahr wurde die Entwicklungszusammenarbeit um das Exportförderprogramm „renewables - made in Germany“ ergänzt.

Die ersten Energiepartnerschaften mit Indien und China werden 2006 ins Leben gerufen - mit Konzentration auf erneuerbaren Energien und Energieeffizienz. Ähnliche Partnerschaften entstehen in den Folgejahren beispielsweise mit Brasilien, Marokko, Tunesien und Südafrika. Neben dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi)  unterhält auch das Auswärtige Amt (AA) einige Partnerschaften, wie etwa die Deutsch-Nigerianische Energiepartnerschaft. „Diese Partnerschaften bilden heute das Kernstück der deutschen „soft power"-Strategie“,sagt Autorin Sonja Thielges, Senior Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Forschungsgruppe ‚Wege zu einer nachhaltigen Energieversorgung‘. Die Rolle und Funktionsweise der Energiepartnerschaften in der internationalen Energiewendepolitik werden in dem Artikel sowie in einem IASS Diskussionspapier detailliert analysiert.

Energiewende als internationale „soft power“-Strategie der Bundesregierung

Die Themen nachhaltige Energie, Umwelt und Klima wurden bereits vor rund zehn Jahren als prominente Aspekte der deutschen Diplomatie identifiziert. Beispielsweise ernannte das AA unter anderem einen Sonderbeauftragten für Klima- und Energiepolitik. Die Energiewende ging schließlich als zentrale Erzählung der Regierung für diese Politikfelder hervor. In Umfragen aus den Jahren 2012, 2015 und 2017 wurde untersucht, inwieweit die deutsche Energiewende ein positives Image im Ausland hat. Es zeigte sich: Bewunderung und Interesse dominieren das Image im außereuropäischen Ausland. Am positivsten sehen es Länder mit eigenem, hohem Potenzial für erneuerbare Energien wie etwa Marokko, wo die Wahrnehmung der deutschen Energiewende als überwältigend positiv bezeichnet werden muss.

Das positive Image der Energiewende dient als Grundlage – oder „soft power-Ressource“ wie es das Autorenteam bezeichnet – für hochrangigen politischen Dialog im Rahmen der Energiepartnerschaften. Ein wesentliches Merkmal dieser Soft-Power-Strategie ist die Kombination aus Kommunikation und politischem Dialog auf der einen Seite sowie Kapazitätsaufbau und Lernen auf der anderen Seite.

„Letzteres stärkt die Glaubwürdigkeit der politischen Kommunikation und steigert die Fähigkeit der Partner, eine Energiepolitik nach deutschem Vorbild umzusetzen, welche Erneuerbare und Energieeffizienz fördert“, urteilt Rainer Quitzow. Darüber hinaus schaffe der langfristige, institutionalisierte Charakter der Partnerschaften Vertrauen, was alle anderen Aktivitäten stärke. Zum Beispiel habe in Südafrika die Energiepartnerschaft eine verstärkte Sensibilisierung der staatlichen Akteure für die Energiewende erreicht, so die Autoren. Zugleich biete der politische Dialog ein Forum zur Identifizierung von Themen, die sich für Workshops und Studienreisen eignen.

Die Energiepartnerschaften hätten auch das Potenzial, einen Rahmen für die inter-ministerielle Koordination der internationalen Energiewendepolitik in den jeweiligen Partnerländern zu schaffen, schreibt das Autorenteam. Allerdings sind dem Instrument hier Grenzen gesetzt. Unter der jeweiligen Federführung von BMWi oder AA fehlt ihnen das Mandat, eine solche Koordinationsfunktion zu übernehmen. In der Praxis laufen daher internationale Aktivitäten der Bundesministerien im Energiebereich häufig parallel.

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Prof. Dr. Rainer Quitzow

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