Wie Staaten weltweit Märkte für grünen Wasserstoff schaffen
27.11.2024
Grüner Wasserstoff wird eine wesentliche Rolle bei der Dekarbonisierung energieintensiver Industrien spielen, darunter die Stahl-, Zement-, Düngemittel-, Schiffs- und Luftfahrtindustrie. Regierungen weltweit entwickeln daher politische Strategien mit dem Ziel, die Märkte für grünen Wasserstoff aktiv mitzugestalten. Im Rahmen des HYPAT-Projekts hat die Forschungsgruppe Geopolitik der Energie- und Industrietransformation eine einzigartige Datenbank zu Politikmaßnahmen für grünen Wasserstoff entwickelt, die es den Forschern ermöglicht, politische Trends und Prioritäten der Regierungen in dieser frühen Phase der Marktentwicklung zu verfolgen.
Der International Hydrogen Policy Tracker sammelt und systematisiert Daten zu politischen und regulatorischen Maßnahmen im Wasserstoffsektor in den wichtigsten Vorreiterländern der globalen Wasserstoffwirtschaft. Die von RIFS-Forschern entwickelte Datenbank deckt acht wichtige Vorreiterländer (Australien, China, Deutschland, Großbritannien, Japan, Kanada, Spanien, USA) und die Europäische Union ab und bietet einen umfassenden Überblick über relevante politische Initiativen. Die Forscher sammelten und kodierten Informationen in mehr als 100 Kategorien nach Instrumententypen sowie nach Sektoren und Technologien, die politische Unterstützung erhalten (siehe Codebuch). Der Policy Tracker enthält auch ein Tool, das die systematische Charakterisierung und den Vergleich von Politikinstrumenten in den wichtigsten Vorreiterländern erleichtert. Im Folgenden stellen wir einige der ersten Erkenntnisse vor.
Der Staat spielt in der Anfangsphase der Entwicklung von Wasserstoffmärkten und -technologien eine entscheidende Rolle, indem er sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite Kosten für Investitionen senkt oder diese selbst tätigt und so Unsicherheiten reduziert. Regierungen nutzen unterschiedliche politische Instrumente, um grüne Wasserstoffmärkte zu gestalten. In den meisten Ländern zielen politische Initiativen vor allem auf die Förderung von Innovationen ab (siehe Abbildung 1). Sie sind in der Regel Teil groß angelegter F&E-Förderprogramme. In der EU werden beispielsweise die meisten wasserstoffbezogenen Forschungsprojekte im Rahmen von Horizon Europe finanziert. Das Vereinigte Königreich hat mit dem Innovate UK Programm mehr als 14 Millionen Pfund für die Wasserstoffforschung bereitgestellt. In den USA wurde die Hydrogen Shot Initiative ins Leben gerufen, die ausschließlich der Finanzierung der Wasserstoffforschung dient. Im Allgemeinen wird die meiste Förderung in diesem Bereich in Form von Forschungszuschüssen gewährt. Andere Instrumente dienen der Förderung von Privatinvestitionen, sowie der Bildung von Netzwerken, Unternehmensclustern und internationalen Partnerschaften (siehe Abbildung 1).
Angebotsseitige Maßnahmen unterstützen entweder die inländische oder ausländische Produktion von grünem Wasserstoff. Während die USA und (in geringerem Maße) China auf Steuergutschriften zurückgreifen, vergibt die EU Subventionen im Rahmen von Auktionen, um Anreize für die Produktion von grünem Wasserstoff zu schaffen. Die Länder, die eine hohe Nachfrage und ein geringes Produktionspotenzial erwarten, investieren zusätzlich in die Sicherung der Versorgung aus dem Ausland. Das deutsche H2Global-Programm bietet beispielsweise Subventionen für Produktionsanlagen in Partnerländern. Die EU hat derzeit kein ähnliches Programm, stellt aber im Rahmen ihrer Global-Gateway-Initiative Mittel zur Verfügung und hat durch die Europäische Investitionsbank Finanzinstrumente entwickelt, die das Risiko der Produktion von sauberem Wasserstoff im Ausland verringern sollen. Andere Länder, wie die USA und das Vereinigte Königreich, setzen mehr auf die Schaffung eines inländischen Angebots. Die Länder bzw. die Region mit dem höchsten Anteil an Maßnahmen, die ausschließlich der Produktion gewidmet sind, sind Australien, Spanien, Japan und die EU (siehe Abbildung 2).
Um eine ausreichende Nachfrage nach grünem Wasserstoff zu schaffen, unterstützen die Regierungen auch dessen Verwendung in verschiedenen Sektoren. Carbon Contracts for Difference (Differenzverträge) sind ein beliebtes Instrument, um Anreize für die Dekarbonisierung im Industriesektor zu schaffen. Sie werden bereits in Deutschland und im Vereinigten Königreich angewandt und sind in der EU geplant. Andere nachfrageseitige Programme beinhalten Zuschüsse oder Steuergutschriften. Die Europäische Kommission hat darüber hinaus verbindliche sektorale Ziele für den Einsatz von sauberem Wasserstoff festgelegt: 42 % des in der Industrie verwendeten Wasserstoffs müssen bis 2030 aus erneuerbaren Quellen stammen. Im Verkehrssektor muss mindestens 1 % der gelieferten erneuerbaren Energie aus nachhaltigen Kraftstoffen wie Wasserstoff stammen. Auf Nordamerika und das Vereinigte Königreich entfällt in unserer Datensammlung der größte Anteil an Maßnahmen zur Nachfrageförderung (siehe Abbildung 2). In allen in der Datenbank erfassten Ländern entfällt der größte Anteil der politischen Maßnahmen zur Förderung der Wasserstoffnutzung auf den Verkehrssektor (siehe Abbildung 3).
Die in der Datenbank erfassten Länder bauen auch Wasserstoffinfrastrukturen auf, um die geographische Distanz von Angebot und Nachfrage zu überbrücken. Ein zentrales Element der US-Wasserstoffinfrastrukturstrategie ist der Aufbau regionaler Clean Hydrogen Hubs. Die Biden-Regierung stellt 7 Milliarden Dollar zur Förderung dieser Cluster bereit. In der EU können grenzüberschreitende Wasserstoffinfrastrukturprojekte als wichtige Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse (IPCEI) gefördert werden. Bislang wurden drei Projekte von der Kommission genehmigt, deren ausdrückliches Ziel der Aufbau eines europäischen Wasserstoffnetzes ist. Chinesische Staatsunternehmen betreiben den groß angelegten Aufbau von Wasserstofftankstellen und den Bau eines Pipelinenetzes, einschließlich einer Fernleitung zwischen Ost- und Westchina.
Die Entwicklung zuverlässiger Nachhaltigkeitskriterien ist ebenfalls wichtig für die Schaffung grüner Wasserstoffmärkte. Die Erneuerbare-Energien-Richtlinie (2023) der EU schreibt beispielsweise vor, dass die Erzeugung von grünem Wasserstoff drei Kriterien erfüllen muss, um als erneuerbar anerkannt zu werden: Zusätzlichkeit (neue erneuerbare Energiekapazitäten müssen zur Stromerzeugung hinzukommen), zeitliche Korrelation (die Wasserstofferzeugung muss während der Zeit der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien stattfinden) und geografische Korrelation (die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien muss sich in der gleichen Gebotszone wie der Elektrolyseur befinden). Auch erste multilaterale Kooperationsinitiativen zur Entwicklung und Harmonisierung von Standards existieren. Während die EU und Mitgliedstaaten wie Deutschland und Spanien grünem Wasserstoff Vorrang einräumen, verfolgen andere Länder wie Kanada, Japan, das Vereinigte Königreich oder die USA Ansätze, die technologieoffener sind und auch die Erzeugung und Nutzung von blauem Wasserstoff, beispielsweise durch Dampfreformierung in Verbindung mit CO2-Abscheidung und -speicherung (SMR mit CCS), unterstützen (siehe Abbildung 4).
Während handelspolitische Instrumente bislang selten sind, versuchen einige Länder, ihre heimischen Märkte zu schützen, indem sie beispielsweise Local-Content-Klauseln und CO2-Ausgleichszölle (CBAM) einführen. Steuergutschriften im Rahmen des Inflation Reduction Act für Projekte in Gemeinden, die durch die Energiewende benachteiligt sind, sind ein Beispiel für Local-Content-Klauseln. In der EU und im Vereinigten Königreich wird Wasserstoff von den geplanten CBAMs erfasst. Auch wenn die in der Datenbank erfassten Länder zahlreiche Kooperationsabkommen unterzeichnet haben, drücken diese Erklärungen oft nur vage Absichten aus. Länder wie Japan und Deutschland, die auf Importe angewiesen sein werden, sind besonders daran interessiert, internationale Wasserstoffpartnerschaften zu schmieden (siehe Abbildung 1). Auch die EU ist bereits mehrere Partnerschaften eingegangen. Das stärkste Signal zur Marktintegration kam jedoch bislang von den USA, Kanada und Mexiko, die sich auf die Schaffung eines "nordamerikanischen Marktes für sauberen Wasserstoff" geeinigt haben. Auf der anderen Seite des Pazifiks beabsichtigt China, die Zusammenarbeit im Bereich Wasserstoff im Rahmen der Belt and Road-Initiative fortzusetzen.