Afrikanische Umweltgerichtsbarkeit, Mobilisierung von Gemeinschaften und das Streben nach Nachhaltigkeit
20.12.2022
Von Dr. Caiphas Brewsters Soyapi und Berit Rungenhagen
Afrika ist reich an Kulturen, natürlichen Ressourcen und biologischer Vielfalt. Der Kontinent ist zudem mit verschiedenen Umweltproblemen konfrontiert, darunter Umweltverschmutzung, Entwaldung und Artensterben. Angesichts dieser zahlreichen Herausforderungen wird häufig angenommen, dass Afrika grundsätzlich nicht in der Lage ist, seine biologische Vielfalt zu erhalten oder Nachhaltigkeit zu fördern. Eine nähere Betrachtung offenbart jedoch, dass traditionelle ökologische Grundsätze und Ansätze des Ressourcenmanagements seit geraumer Zeit von indigenen und ländlichen Gemeinschaften angewandt werden. In unserer November-Veranstaltung der IASS-Vortragsreihe zum Schwerpunktthema Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit erläutert Dr. Soyapi, dass kein umweltethisches System auf einem falschen Fundament überleben kann. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, herauszufinden, worauf unsere Umweltethik beruht.
Eine Geschichte der Nachhaltigkeit
Afrikanische Gesellschaften haben traditionelle, beziehungsweise indigene Grundlagen für eine Umweltethik, die in Entscheidungsfindungen berücksichtigt werden sollte. Dieser Auffassung nach nehmen viele traditionelle Gemeinschaften die Natur als ganzheitlich wahr: Menschen und nicht-menschliche Wesen sind tief miteinander verbunden und existieren in Harmonie. Ökologische Grundsätze und Traditionen stützen sich auf eine Geschichte der Nachhaltigkeit. Sie stellen auch den Glauben in Frage, dass nur Wissenschaftler und Philosophen wertvolles Wissen über ethische Wahrnehmungen der Natur besitzen.
Traditionelle Gemeinden leben von der lokalen Landwirtschaft, erläuterte Dr. Soyapi und nannte als Beispiel das Dorf, in dem er in Simbabwe aufgewachsen ist. In diesen ländlichen Gemeinden sind die Menschen auf die Natur angewiesen, da die wichtigsten Lebensmittel und Medikamente in der Regel von Umweltressourcen stammen. In dem Zuge zeigte Dr. Soyapi auf, dass traditionelles Wissen als moralischer Kompass betrachtet werden kann, den Afrikaner nutzen können, um eine eigene Antwort auf ökologische Probleme zu finden.
Bei der Suche nach Ursachen für die historisch schwindende Rolle von traditionellem Wissen in der Regierungsführung verwies er auf das Fortbestehen des kolonialen Erbes der Landausbeutung durch extraktive und landwirtschaftliche Produktionsmittel. Die sozialen Strukturen des Kolonialismus, einschließlich vorher genannter Entwicklungsmodelle, dem Kapitalismus, der Urbanisierung und Industrialisierung begründen fortbestehende, soziale Strukturen und Vermächtnisse. Kyle White bezeichnet dies als "gemeine Ablagerung", ein vorsätzlicher Prozess, bei dem koloniale Hinterlassenschaften traditionelle Praktiken verdrängen und ersetzen, bis zu dem Punkt, an dem koloniale Denkweisen sich zum akzeptierten Muster entwickeln. Dr. Soyapi schlussfolgerte, dass die meisten ökologischen Ungerechtigkeiten an dem Punkt, an dem neoliberale Entwicklungsvorstellungen und Wirtschaftswachstum aufeinandertreffen, entstehen. Dabei wird der Ausschluss der lokalen Bevölkerung von Entscheidungsprozessen deutlich und die anhaltenden Auseinandersetzungen hinsichtlich der Beteiligung der Öffentlichkeit sichtbar.
"Afrikanischer juristischer Umweltschutz"
"Es ist durchaus keine Überraschung", so Dr. Soyapi, "dass die Haltung einiger Regierungen gegenüber ökologischen Moralvorstellungen anmaßend ist, was Ausdruck durch das fehlende Interesse an indigenem Wissen und Erfahrungen erfährt." Gerichte sind dann die letzte Verteidigungslinie für die Interessen der Gemeinschaften gegenüber der immensen Macht der Unternehmen und Regierungen. In vielen jüngeren Urteilen haben die Gerichte zur Idee des "afrikanischen juristischen Umweltschutzes" beigetragen, der sich durch eine expansivere und umfassendere Auslegung von Umweltvorschriften, auf Grundlage von traditionellen Praktiken und Kenntnissen, kennzeichnet. Viele Gerichte übernehmen eine selbstbewusstere Rolle bei der Beilegung von Umweltstreitigkeiten und stärken damit die Entwicklung des afrikanischen juristischen Umweltschutzes im Streben nach Nachhaltigkeit.
Anhand einer Reihe von Gerichtsentscheidungen im afrikanischen Kontext zeigte Dr. Soyapi, dass afrikanische Gerichte auf innovative Weise Streitigkeiten schlichten und gleichzeitig als Foren zur Förderung von Umweltgerechtigkeit fungieren. Dies zeigt sich beispielsweise im Urteil des ostafrikanischen Gerichtshofs gegen die tansanische Regierung, in dem das Gericht feststellte, dass die Beeinträchtigung von Wildtieren eine ernstzunehmende Angelegenheit ist, welche beim Bau einer Bitumenstraße durch die Serengeti Beachtung finden muss. In ähnlicher Weise entschied der Oberste Gerichtshof Kenias gegen die kenianische Regierung in einem Fall, der sich gegen den Ausbau des Hafens von Lamu richtete, und wies die Regierung an, die negativ von dem Projekt betroffenen Fischer zu entschädigen.
Wenn Entwicklungsmaßnahmen ihre Lebensgrundlage bedrohen, müssen sich isolierte Gemeinschaften zusammenschließen und ihre Ansprüche geltend machen, schlussfolgerte Dr. Soyapi. In Anbetracht der Tatsache, dass es bei allen Kämpfen um Ressourcen, kollektive Lebensgrundlagen und Anerkennung von Identitäten geht, wird für die Gerichtsbarkeit eine klare Formulierung von kausalen Zusammenhängen von Bedeutung sein. Wenn die Gemeinschaften beispielsweise nachweisen können, dass sie direkt auf ihre Umwelt und deren Ressourcen angewiesen sind, können sie auf ihre grundlegenden Rechte verweisen und zudem ihrem Widerstand ein Gesicht geben. Wenn die Gemeinschaften tatsächlich eine untrennbare Verbindung zwischen ihnen und den betroffenen Ökosystemen vorweisen können, ihnen aber das Recht auf Partizipation abgesprochen wird, wird Ihnen somit effektiv auch das Recht auf ein würdevolles Leben genommen.
Dr. Caiphas Brewsters Soyapi forscht an der North-West University in Südafrika. Sein Interesse gilt in erster Linie dem Umweltkonstitutionalismus in Afrika, mit dem Schwerpunkt auf rechtsbasierten Ansätzen für den Umweltschutz, dem Stellenwert internationaler Umweltrechtsprinzipien vor afrikanischen Gerichten und dem Beitrag der Rechtssprechung zum Umweltschutz in Afrika.