Eine Win-win-Situation für Radfahrende – Verkehrswende führt zu messbar besserer Luftqualität
26.08.2021
Das Team des Projekts „Klimawandel und Luftverschmutzung“ (ClimPol) hat kürzlich einen Artikel in Environmental Research Letters veröffentlicht, in dem die Ergebnisse einer Messkampagne entlang des Kottbusser Damms in Berlin-Kreuzberg detailliert dargestellt werden. Kurz gesagt haben wir nachgewiesen, dass die Einrichtung einer geschützten Fahrradspur entlang der Straße die Luftverschmutzung, der die Radfahrenden ausgesetzt waren, um 22 % reduziert hat. Für sich genommen ist dies ein bedeutendes, aber vielleicht nicht unerwartetes Ergebnis. Um diese Ergebnisse jedoch in den richtigen Kontext zu setzen, müssen wir zunächst in das Jahr 2018 zurückspulen.
Nach dem erfolgreichen Volksentscheid Fahrrad in Berlin verabschiedete die Landesregierung als erste in Deutschland ein Mobilitätsgesetz, das den Ansatz der Verkehrsplanung in Berlin für die kommenden Jahrzehnte neu definiert. Das Gesetz konzentriert sich in erster Linie auf die Verkehrssicherheit und die Bereitstellung von Infrastruktur, wobei es zu einem großen Teil Vorschläge des von Bürgerinitiativen erarbeiteten Entwurfs eines Fahrradgesetzes aufgreift, darunter Kernkonzepte wie die „Vision Zero“, die darauf abzielt, Todesfälle und schwere Verletzungen bei Verkehrsunfällen auf ein Minimum zu reduzieren. Während Sicherheit und Radfahren zentrale Bestandteile des Mobilitätsgesetzes sind, legte es auch den Grundstein für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, der Fußgängerzonen und des intelligenten Verkehrs in Berlin und kombiniert diese mit den bestehenden Regelungen für den Individual- und Wirtschaftsverkehr.
Wenn wir vor diesem Hintergrund in das Jahr 2020 vorspulen und auf die Einrichtung des neuen Radwegs auf dem Kottbusser Damm blicken, sehen wir die direkten Auswirkungen dieser Gesetzgebung auf dessen Gestaltung. Er ist zwei Meter breit, durch Poller geschützt, um zu verhindern, dass Autos im Weg parken, und gewährleistet, dass Radfahrende die Straße sicher und schnell überqueren können. Unsere Kampagne hat außerdem gezeigt, dass diese neue Infrastruktur positive Auswirkungen auf die Sicherheit der Radfahrenden hat, die über die bloße Sicherheit hinausgehen. Da die Radfahrenden nun nicht mehr inmitten des Verkehrs fahren mussten, wobei sie oft direkte Auspuffemissionen einatmeten, waren sie geringeren Stickstoffdioxidkonzentrationen (NO2) ausgesetzt als zuvor.
Um sicherzustellen, dass dies nicht auf lokale Veränderungen der Luftqualität zurückzuführen ist, ergänzten wir unsere mobilen Fahrradmessungen durch stationäre Messungen entlang der Straße. Selbst nach Berücksichtigung von Änderungen der Luftqualität aufgrund pandemiebedingter Lockdowns und der Meteorologie zeigte diese Untersuchung, dass die Radfahrenden im Durchschnitt 8,4 ± 7,4 µg/m³ geringeren NO2-Konzentrationen ausgesetzt waren, während sie auf dem geschützten Radweg fuhren als auf der Straße. Diese Verringerungen waren bei den ganz hohen Luftverschmutzungswerten, nämlich auf der 95. Perzentile, sogar noch deutlicher zu beobachten (14 ± 7,4 µg/m³), was den wahrscheinlich größeren Schutz der Radfahrenden vor Auspuffemissionen durch die neue Infrastruktur unterstreicht. Je weiter die Radfahrenden von Dieselfahrzeugen mit NO2-Emissionen entfernt sind, desto weniger sind sie den schädlichen Auswirkungen dieser Verschmutzung ausgesetzt; daher das nicht unerwartete Ergebnis.
Entscheidend ist jedoch, dass sich eine ähnliche Situation auf vielen Straßen in Berlin abspielt, wo neue geschützte Radwege gebaut werden. Der Kottbusser Damm ist nur ein Beispiel für viele geplante Maßnahmen in einem sich verändernden Stadtbild. Radfahrende werden in Berlin nicht nur sicherer, sondern wahrscheinlich auch besser vor schädlicher Luftverschmutzung geschützt. Darüber hinaus überwiegen die gesundheitlichen Vorteile des aktiven Reisens die negativen Auswirkungen der Luftverschmutzung (siehe Studien von Giallouros, G., et al. [2020] und Tainio, M., et al. [2021]), so dass eine Verringerung der Luftverschmutzung beim Radfahren den Gesamtgewinn an körperlicher Gesundheit durch aktives Reisen verbessert. Obwohl dies im Mobilitätsgesetz von 2018 nicht direkt vorgesehen ist, scheint es, dass die Änderungen an der Berliner Infrastruktur zu einer Win-Win-Situation für Radfahrer geführt haben, da sie sicherer und gesünder durch die Stadt radeln. Wenn die neue Infrastruktur zu einer stärkeren Nutzung des Fahrrads in Berlin führt, werden sich die gesundheitlichen Vorteile dieser Maßnahmen auf Stadtebene bemerkbar machen.
Natürlich sind diese Maßnahmen für Radfahrende großartig, aber sie nehmen dem Autoverkehr auch Platz weg. Ohne groß angelegte Maßnahmen, die den Bedarf an Autos in Berlin verringern, besteht die Gefahr, dass die Luftverschmutzung durch Autos, in andere Teile der Stadt verlagert wird. Dadurch würde die Last der Verschmutzung auf einen anderen Teil der Bevölkerung verlagert. Während unsere Forschung eindeutige Vorteile für Radfahrende aufgezeigt hat, betonen wir die Notwendigkeit einer kohärenten Verkehrswende in Berlin und ganz Deutschland, um sicherzustellen, dass diese Vorteile auf alle Verkehrsteilnehmenden verteilt werden.