Auf der Suche nach dem fehlenden Element in der klimawissenschaftlichen Ausbildung
22.09.2016
Drew Bush ist Gastwissenschaftler am Goddard Institute for Space Studies (GISS) der United States National Aeronautics and Space Administration (NASA) in New York. Am Department of Geography und an der School of Environment der McGill University in Montreal arbeitet er außerdem an seiner Doktorarbeit. In seiner Forschung beschäftigt er sich damit, wie entdeckendes Lehren unter Verwendung eines vom Goddard-Institut entwickelten Klimamodells das Lernen von Schülern zum Thema Klimawandel beeinflusst. Letzte Woche nahm Drew Bush an der Potsdam Summer School mit dem Titel „Dealing with climate change impacts“ teil.
Welche der Vorträge, Führungen und interaktiven Veranstaltungen der Sommerschule waren für dich besonders interessant?
Ich bin nach Potsdam gekommen, weil ich mehr darüber erfahren wollte, wie Beweise für den Klimawandel erbracht werden und wie die Wissenschaftler die Prozesse im Erdsystem untersuchen. Dies ist für mich unheimlich wichtig, da meine Arbeit sich mit der Vermittlung von Klimawissenschaft befasst. In einem Labor zu sein, in dem ein Wissenschaftler eine paläontologische Jahresringanalyse vornimmt, oder von den Polarforschern zu hören, wie sie ein Modell der Veränderungen in der Arktis entwickeln, hilft mir sehr dabei, im Unterricht zu erklären, wie die Wissenschaftler arbeiten. Denn dies ist ein Element, das in der Lehre häufig fehlt: nicht nur die Beweise vorzulegen, sondern auch zu erklären, wie diese Beweise erbracht werden.
Deine Doktorarbeit befasst sich mit der Verwendung eines Klimamodells im Unterricht. Was ist das für ein Modell?
Das Modell beruht im Prinzip auf dem NASA GISS Model II, das vom bekannten amerikanischen Klimaforscher James Hansen verwendet wird. Die für das Bildungswesen vorgesehene Version des Modells (das Educational Global Climate Model oder EdGCM) ist seit 2005 verfügbar und kam bisher in fast 200 Institutionen weltweit zum Einsatz. Die Schüler verwenden eine Reihe von grafischen Oberflächen: Sie erstellen zunächst ein Szenario, führen die Simulation durch und gehen schließlich zur Nachbearbeitung der Daten und zur Visualisierung der Ergebnisse über. Obwohl das Modell bereits seit über zehn Jahren in der Lehre genutzt wird, ist seine Wirksamkeit noch nie bewertet worden. Das ist es, woran ich arbeite.
Klimamodellierung ist eine ziemlich anspruchsvolle Aufgabe. Wie alt sind deine Schüler und welches Vorwissen bringen sie normalerweise mit?
Es sind Schüler der oberen Highschool-Klassen oder Studierende. Sie alle haben schon vom Klimawandel gehört – aus den Medien, von ihren Eltern, von Lehrern oder Freunden. Ich hatte eine professionelle Skifahrerin in der Klasse, die mir erzählte, sie hätte bemerkt, wie viel kürzer die Skisaison geworden sei; doch es gab auch ein paar Schüler, die am Klimawandel zweifelten. Obwohl das Thema für sie nicht vollkommen neu war, hatte ihnen noch nie jemand die Beweise so deutlich vor Augen geführt und ihnen aufgezeigt, wie Wissenschaftler die Beweise liefern und was die wesentlichen Konzepte sind. Zum Beispiel kennen die Schüler meistens den Begriff „Treibhauseffekt“, doch sie können ihn nicht erklären. Nach Abschluss meines Kurses verfügen sie über das entsprechende Wissen. Wenn die Schüler mit dem Klimamodell arbeiten, sehen sie auch, was für Veränderungen in 50 oder 100 Jahren eintreten könnten. Ein Schüler, der sich mit der Eisdecke beschäftigte, kam zu mir und meinte: „Wir haben unsere Modellergebnisse bekommen: In 100 Jahren wird es kein Eis mehr geben!“ Das mag so nicht ganz zutreffend sein, doch dieser Schüler schloss den Kurs definitiv mit einem Verständnis für den Ernst der Lage ab.
Erzähl mir vom Sommercamp zum Thema Klimamodellierung, das du an der McGill University eingeführt hast.
Der Informatikstudiengang an der McGill University veranstaltet ein Sommercamp mit dem Titel „Be a computer scientist for a week“, das Kurse in Robotik und Medizininformatik anbietet. Ich konnte die Verantwortlichen davon überzeugen, mich einen Kurs zum Thema Klimamodellierung mit dem Titel „Be a Climate Modeler for a Week“ durchführen zu lassen. Es handelt sich um eine fünftägige Veranstaltung für Highschool-Schüler. Wir verbringen viel Zeit mit den naturwissenschaftlichen Aspekten und zeigen den Teilnehmern, wie sie das Modell nutzen und wie sie an ihren eigenen Forschungsprojekten arbeiten können. Ein Kollege an der McGill University, der aus der Informatik kommt, beteiligt sich ebenfalls am Kurs und bringt unseren Schülern bei, in JavaScript und HTML zu programmieren, damit sie die Ergebnisse ihrer Modellierung auf ihrer eigenen Website veröffentlichen können. Etwas, das wir stets betonen, ist, dass man als Wissenschaftler nicht nur in der Lage sein muss, Forschung zu betreiben, sondern auch, seine Forschungsergebnisse zu verbreiten. Am letzten Tag kommen die Eltern, und wir veranstalten einen Wettbewerb, bei dem die Schüler ihre Websites mit ihren Forschungsergebnissen vorstellen.
Das klingt nach einem wirklich großartigen Kurs! Wie bewertest du als erfahrener Veranstalter von Sommercamps die Potsdam Summer School?
Sie war toll! Es ist wirklich interessant, von und mit einer internationalen Gruppe von Leuten aus so vielen unterschiedlichen Bereichen zu lernen. Wir gehen mit Kontakten aus einer Vielzahl an Disziplinen im Bereich der Klimaforschung nach Hause, und viele von uns wohnen eine halbe Weltreise voneinander entfernt.
Photo oben: istock/Jeff Chevrier