Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit Helmholtz-Zentrum Potsdam

Historische Gärten: Gut für Artenvielfalt und Gesundheit

08.11.2019

Wie kaum ein anderer Ort Deutschlands ist Potsdam geprägt von seinen historischen Gärten und Parks. Doch der Klimawandel setzt der kultivierten Natur ebenso zu wie ein verändertes Nutzungsverhalten. Ein Forschungsprojekt der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten (SPSG) begleitet vom Institut for Advanced Sustainability Studies (IASS) und gefördert von der Bundesstiftung Umwelt (DBU) widmet sich im Dialog mit Potsdamerinnen und Potsdamern diesem Spannungsfeld.

Schloss Glienicke Foto von Hans Bach für SPSG
Die Fontäne mit den Löwen von Schloss Glienicke.

„Durch den Klimawandel hat sich unsere Arbeit inzwischen nahezu verdoppelt“, sagte Prof. Michael Rohde, Gartendirektor der SPSG bei der Auftaktveranstaltung des Forschungsprojektes im Schloss Glienicke. „Aber genauso der Nutzungswandel – vom einst agrarischen Arbeitsort zur Zeit der Gartenentstehung hin zum Kulturort, der heute eine fast schon technische Nutzung erfährt – das trifft unsere Gärten als wohl empfindlichste Kunstgattung besonders stark.“ Die entscheidenden Fragen sind für Rohde: „Wollen wir als Gesellschaft gemeinsam die Gärten und Parks erhalten? Was können wir tun, um diese UNESCO-Welterbelandschaften für nachfolgende Generationen zu erhalten?“

„Rund ein Viertel der bedrohten Arten leben in unseren Stiftungsgärten!“

Denn die historischen Gärten sind weit mehr als Räume der Erholung: Trotz der gärtnerischen Gestaltung und Eingriffe sind die Potsdamer Parks für eine Vielzahl von Pflanzen und Tiere ein wichtiger Lebensraum. Ein Viertel der bedrohten Arten befinden sich laut Rohde in den Stiftungsgärten, daraus ergebe sich automatisch eine Verantwortung für den Erhalt dieser Grünflächen. Ein hoher Altbaumbestand leistet einen Beitrag zum Erhalt der biologischen Vielfalt. Natürliche Prozesse wie Zerfall und Aufwuchs von Bäumen, das Belassen von Totholz, eine späte Wiesenmahd und der Verzicht auf Pflanzenschutzmittel trage ebenfalls dazu bei.

So ist es nicht verwunderlich, dass von 50.000 in Deutschland lebenden Tier- und Pflanzenarten über 10.000 Arten in den Potsdamer Kulturlandschaften vorkommen. Den größten Artenanteil haben mehr als 8.000 Insekten - vor allem Käfer und Schmetterlinge – und mit über hundert Arten sind Vögel die artenreichste Wirbeltierklasse in den Parks und Gärten. Jedoch wieviel Bewusstsein ist dafür im heutigen Mensch-Natur-Verhältnis vorhanden?

Da es bei Kulturgütern immer gewisse Grenzen gebe, müsse es auch im Fall der historischen Gärten ‚Leitplanken‘ wie etwa eine Parkordnung geben. Franz Mauelshagen vom IASS betonte, dass die Öffnung der historischen Parks für die Allgemeinheit ein besonderes soziales Moment war, welches einerseits Diversität ermöglicht, andererseits aber sei die Nutzung der breiten Öffentlichkeit anders als die eines kleinen höfischen Publikums, schlussfolgerte Mauelshagen.        

Wissenschaftliche Belege für den Zusammenhang von Grünflächen und Gesundheit stellte Professorin Aletta Bonn vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung Leipzig vor, sie leitet dort das Department Ökosystemleistungen und erforscht mit Ihrem Team das Konzept der Ökosystemdienstleistungen. Die Hauptfrage, um den sich ihr Vortrag drehte: Was können Gärten leisten?

Aletta Bonn: „Die Verbindung des Artensterbens mit 7,7 Milliarden Menschen auf der Erde – das Zusammenhängen von Biodiversität und Mensch rückt selten in den Fokus. Auch bei den historischen Gärten befinden wir uns im Zweispielt zwischen Reichtum und Reduktion. Zugleich werden alte Praktiken angewandt wie etwa, dass die Maht der Grasflächen nur zweimal im Jahr stattfindet oder von seltenen Schafen durchgeführt wird.“

Historische Gartenanlagen als Hort der Biodiversität

Eine Studie ihres Institutes habe den Zusammenhang von Artenreichtum auf stark, mittel und gering bewirtschafteten Flächen am Beispiel von Kleingärten untersucht. „Die wenig bewirtschafteten bis verwilderten Kleingärten hatten die höchste Artenvielfalt“, sagte Bonn. Folglich gehe es bei den historischen Parks genauso ums Biodiversitätsmanagement – die historischen Gärten als Lebensraum für bedrohte Insekten. Allerdings greife in der Gesellschaft eine Unkenntnis der Arten um sich; das zu ändern, könne beispielsweise mit Citizen Science Projekten versucht werden, um Gärten als Orte der Naturerfahrung ins Bewusstsein zu heben.

Nicht zu unterschätzen sei der Effekt der Gärten auf die menschliche Gesundheit: „Die Kosten für die psychische Gesundheit werden bis 2050 steigen – da können Gärten Abhilfe schaffen“, sagte Bonn. Sie verwies auf eine Studie, die einen Zusammenhang belegen konnte zwischen einer hohen Artenvielfalt in der näheren Umgebung eines Patienten und einer verminderten Verschreibung von Antidepressiva.

Die „Hausaufgabenliste“ der historischen Gärten wurde lang im Laufe der Veranstaltung und umfasste schließlich Natur- und Insektenschutz, Förderung der Artenvielfalt, Klimawandelschäden dokumentieren, Citizen Science Projekte, Erholungsorte und Gesundheitsprogramme.
 

Internationale Konferenz zum Thema im Herbst 2020

Das Forschungsprojekt „Historische Gärten und Gesellschaft. Kultur – Natur – Verantwortung“ wird fortgeführt: Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg richtet im Frühjahr 2020 ein weiteres Kolloquium aus und im Oktober 2020 findet eine internationale Konferenz zum Thema statt.

       

Kontakt

Sabine Letz

M. A. Sabine Letz

Referentin Presse
sabine [dot] letz [at] rifs-potsdam [dot] de
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