Die Corona-Pandemie: Lehrstück für systemische Krisen
28.10.2020
Die Corona-Krise ist eine globale Krise. Im Krisenmodus zeigt sich, welche Veränderungen möglich sind, um die Pandemie zu bekämpfen. Wer jedoch auf den Klimawandel blickt, auf Dürren, Rekordtemperaturen und schmelzende Gletscher, registriert ein ganz anderes Szenario. Seit über 30 Jahren wird vor der Klimakrise gewarnt, trotzdem werden keine drastischen Maßnahmen ergriffen. Wie kommt es, dass zwei so ähnliche Krisen so unterschiedlich wahrgenommen und bewältigt werden? Mit seiner Bachelorarbeit in Form eines Videos versucht John Mio Mehnert, dafür Erklärungen zu liefern und bat Pia-Johanna Schweizer vom IASS um eine wissenschaftliche Einschätzung.
Im Juni schrieb uns John Mio Mehnert, Student an der Hafen City Universität Hamburg, weil er seine Bachelorarbeit im Fach „Kultur der Metropole“ zum Thema „Klima Chance Corona“ in Form eines Videos erstellen wollte.
„Darin interessiere ich mich für die Chancen (und natürlich auch Risiken), die die Corona-Krise in Bezug auf eine sozial-ökologische Transformation bietet und bin auf der Suche nach visionären Initiativen, Instituten und Gesprächspartner*innen für eine lebenswerte Stadt.“
John Mio Mehnert
Während seiner Recherche sei er auf den IASS-Themenschwerpunkt zur Corona-Krise gestoßen und suchte bei uns eine Expertin oder einen Experten, den oder die er befragen könne.
„Beispielfragen könnten sein: Welche Möglichkeitsräume öffnen sich gerade durch die Corona Krise? … Was kann die Gesellschaft aus der Corona-Krise für die Klima-Krise lernen? … Auch soll es um die Gemeinsamkeiten der zwei Krisen und die Rolle von Wissenschaft und Staat gehen.“
John Mio Mehnert
Eine Krise ist immer auch eine Chance, jedoch gilt es zunächst, die Risiken abzuschätzen und zu erfassen, welche Bereiche betroffen sind. Im Falle der Corona-Pandemie haben wir eine ganz besondere Situation: Sie betrifft alle Menschen sowohl national als auch global. Sie macht keinen Halt vor Hautfarbe oder finanziellem Status. Sie bedrängt auch Wirtschaft und Handel, sie bringt die Gesundheitssysteme an ihre Grenzen und die Forschung erlebt eine fiebrige Hochphase der Produktivität. Und somit kann sie mit der Klimakrise verglichen werden, nur ist die Corona-Krise plötzlich aufgetreten, während sich die Klimakrise seit rund drei Jahrzehnten anbahnt.
Pia-Johanna Schweizer, Forscherin zum Komplex der systemischen Risiken am IASS, sieht als Risikoforscherin in der Corona-Krise auch eine „Möglichkeit, ein globales Realexperiment“ zu verfolgen, woraus Lehren für die Klima-Krise gezogen werden können. Dabei ist augenfällig, dass globale Maßnahmen zur Eindämmung der Krise möglich sind.
„Maßnahmen und Pläne werden plötzlich (global) umgesetzt, die zuvor einfach nicht denkbar waren.“
Pia-Johanna Schweizer
Deutlich wurde aber auch, dass die Welt sehr miteinander vernetzt ist. Die Option, sich in seinem Nationalstaat abzuschotten, sei vor dem Hintergrund der Krise undenkbar geworden, so Schweizer. Zu fragil sei die moderne Gesellschaft und zu abhängig vom globalen Wechselspiel der Warenströme, weltweiter Mobilität und des Wissenstransfers.
Unter der Regie von John Mio Mehnert ist ein Video entstanden, in dem die beiden Krisen einander gegenübergestellt werden. Mit Nachrichtenbeiträgen aus aller Welt zu Beginn seines viertelstündigen Films wird deutlich, wie nah beide Krisen einander sind und wie sehr sich die Schlagzeilen gleichen könnten, so dass Corona-Krise und Klimakrise austauschbar werden.
Der Bachelorstudent hat mit Aktivistinnen und Aktivisten der Fridays for Future-Bewegung in Hamburg, den Extinction Rebellen, Akteuren von Ende Gelände oder Greenpeace und weiteren gesprochen. Sie alle nähern sich dem Vergleich auf unterschiedliche Art und Weise an, während Pia-Johanna Schweizer die Situation aufgrund ihrer Forschung zu systemischen Risiken am IASS erläutert und einordnet.
Die Bachelorarbeit, die vom IASS durch Pia-Johanna Schweizer mit wissenschaftlicher Expertise unterstützt wurde, kann nun auf Youtube angeschaut werden: